Die Welt: Der König von Deutschland ist totder./eve Niebüll - "Macht kaputt, was euch kaputt macht", sang er noch 1970 als Frontmann der Polit-Gruppe "Ton Steine Scherben". 1986 wollte er "König von Deutschland" werden, "größer als der Kohl und dicker als der Strauß". Doch zehn Jahre später, 1996, waren die Utopien, die aus seinem Frust über die Gesellschaft gewachsen waren, trauriger Resignation gewichen: "Nehmt mir die Krone weg/ nehmt sie zurück/ ich kann euch nicht führen/ denn ich weiß den Weg nicht."Jetzt ist der deutsche Rocksänger Rio Reiser im Alter von 46 Jahren in seinem nordfriesischen Bauernhaus völlig überraschend an einer inneren Blutung gestorben. Der in Berlin geborene und im südhessischen Rodgau aufgewachsene Künstler hieß eigentlich Ralph Möbius. In Anlehnung an Karl Philipp Moritz' Anton Reiser nannte er sich in Rio Reiser um. Anarchische Texte waren das Kennzeichen des Quartetts "Ton Steine Scherben", das offen Partei ergriff für APO oder Hausbesetzer. Nach der Auflösung der Scherben begann Rio Reiser erfolgreich eine Solokarriere. Seine Single "Der König von Deutschland", eine ironische Attacke gegen die Bundesrepublik, knüpfte an die Denkmuster der aufgelösten Band an und wurde sein größter Hit. 1990 sang das PDS-Mitglied vom "Zauberland", das abgebrannt sei und lichterloh brenne. Rio Reiser spielte auch im Film; 1977 erhielt er den Bundesfilmpreis für die Titelrolle in "Johnny West". Er komponierte 1994 das Rock-Musical "Knock out Deutschland". Einst drogenabhängig, erkrankte er dieses Jahr an Gelbsucht und mußte seine Tournee absagen.
Bereits 1992 hatte der streitbare, bei aller Radikalität
aber auch kreative Künstler, eine Tournee wegen Krankheit
nicht angetreten. Die deutsche Musikszene ist nicht so reich,
als daß sie den Tod Rio Reisers nicht spüren würde.
Copyright: DIE WELT, 22.8.1996
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letzte Änderung: 02.05.1999, marko[at]netz-meister[punkt]de |